Nachruf auf unseren lieben Bruder Philipp Crusius
Lieber Philipp, wir, das Labyrinth und ich ganz besonders, entlassen Dich nur sehr ungern aus der Kette, auch wenn die Kette der Herzen natürlich bleiben wird und ich verspreche, Du wirst nicht in Vergessenheit geraten.
Wie unsere Freundschaft begann
Wir lernten uns auf einer Veranstaltung von Frederik kennen und schätzen. Bei unserem ersten Kontakt wurde ich bereits ungefragt mit ausführlichen Forschungsergebnissen und mit vielen für mich nicht nachvollziehbaren Details konfrontiert.
So warst Du, Du wusstest sehr viel insbesondere zur Freimaurerei und entdecktest immer wieder neue äußerst interessante Details, die so noch nie erkannt und in Zusammenhang gebracht wurden. War irgendetwas unplausibel oder Du warst der Meinung, es könne sich so nicht zugetragen haben, dann suchtest Du so lange nach Quellen, bis der Sachverhalt aufgeklärt war. Meistens war das Ergebnis so, wie Du es schon vermutet hattest.
Auch umfassten Deine Forschungen die feminine Freimaurerei. In regelmäßigen Abständen bekam ich Zusendungen von Dir. Alles, was Dir in die Hände fiel, was für die Arbeit im Labyrinth interessant war, wurde von Dir bis ins Detail recherchiert, für mich kopiert und zugesandt. Und zwar sofort und auch dann, wenn wir uns sowieso am nächsten Tag gesehen hätten. Die Postzustellung wurde immer durch einen von Dir Anruf begleitet, in dem ich gefragt wurde, ob ich denn nun auch schon alles gelesen habe. Mitunter war mir der Umschlag gerade übergeben worden und ich hatte dann in einer Hand den Umschlag und in der anderen Dich am Telefon.
So konnte ich einen großen Fundus an Informationen sammeln, dafür bin ich Dir unendlich dankbar, neben meiner Arbeit habe ich ganz einfach weder die Zeit noch habe ich den Zugang zu entsprechenden Quellen.
Über die Jahre entstand eine tiefe von Vertrauen geprägte Freundschaft. Auch warst Du ein wertvoller Unterstützer unserer Loge Labyrinth. Immer warst Du bereit, einen Vortrag zu den verschiedensten Themen zu halten, auch warst Du mir ein wichtiger Berater zu allen, den Aufbau der Loge und die Wahl der Rituale betreffenden Fragen. Ich konnte alle Details mit Dir diskutieren, wenn Wissenslücken bei uns vorhanden waren, erhielt ich wenig später eine der schon bekannten Zusendungen.
Auch warst Du in Bremen sehr bekannt, meine liebe Schwester Marion war erstaunt und erfreut, als sie Dich bei einem unserer Gästeabende erstmalig traf. Sie war früher Deine Patientin und kannte Dich bereits seit 1978 als ihren Hausarzt im Viertel.
Auch im Sport warst Du aktiv. Ich habe so viele Geschichten aus Deiner Familie, Kindheit und Deinem Sport gehört, ich kann sie gar nicht alle wiedergeben, deshalb soll hier nur ein kurzer Abriss, der für mich beeindruckendsten Geschichten und auch derjenigen Abenteuer erfolgen, die wir noch zusammen ausgeheckt hatten, aber nicht mehr umsetzen konnten.
Du erzähltest mir viele Geschichten aus Deinem Leben. Über die schlagende Verbindung in Marburg, wo Du Medizin studiertest, über die unterschiedlichen Logen, auch kannte ich die Namen aller Brüder, die Du schätztest oder eben nicht. Auch kannte ich dem Namen nach alle Familienmitglieder, die Abenteuer, die Du gemeinsam mit Deinem Bruder erlebtest. Du warst ganz einfach ein Familienmensch.
Das Leben hast Du in vollen Zügen genossen, das sollten viel mehr Menschen so machen. Arbeit war nur Mittel zum Zweck. Einmal erzähltest Du mir, Du hättest in Deiner Studentenzeit sehr viele Sofas kennengelernt, unter anderem in Paris. Und ob wir nicht bald mal nach Paris fahren wollen, um nachzusehen, welche Deiner Weggefährten noch da sind. Auch wolltest Du mir Plätze zeigen, die Du in besonders guter Erinnerung hattest. Dies alles sollte sein, sobald Du im Lotto gewännest (ein Insider)
Auch über Deine Zeit als Hippie in den Höhlen Matalas wurde ich umfassend informiert. Du erzähltest mir, dass viele Deiner dortigen Freunde krank waren, weil sie eben aus dem System ausgestiegen waren und sich medizinische Versorgung nicht leisten konnten und Du deshalb die Versorgung dort übernommen hattest. Regelmäßig fuhrst Du nach Matala auf Kreta, um dort Zeit zu verbringen, Menschen medizinisch zu versorgen und auch brachtest Du immer Medikamente für die kostenlose Behandlung mit. Auch sprachst Du griechisch, hin und wieder versuchete ich, mein verstaubtest griechisch rauszukramen und machten dann Witze darüber.
Du lebtest in den letzten Jahren alleine. Das klappte so mittelprächtig. Leider konntest Du nicht kochen und weigertest Dich standhaft, es zu lernen. Ich diagnostizierte Altersstarrsinn im Endstand. Mit Dir war es sehr einfach, befreundet zu sein, man konnte mit Dir Tacheles reden. Regelmäßig bekamst Du dann von mir eine „Packung“ wie wir es nannten, weil ich mir Sorgen machte, wie es mit der Versorgung weitergehen solle, Du wurdest immer dünner. Ich holte die Brüder der North Sea Armed Forces und auch Peer, dessen Bürge Du warst, mit ins Boot. So stellten wir eine Art Mindestversorgung sicher, jeder brachte etwas zu essen, lud Dich irgendwohin ein und auch Deine Putzfrau brachte Essen mit, wenn sie zu Dir kam. Auch hast Du viele Weihnachten und andere Feiertage bei mir zu Hause verbracht.
Wir haben viel zusammen erlebt. Früher fuhrst Du oft mit dem Flixbus nach Berlin, um dort die Ritualkommission der 3 WK zu besuchen, der Du angehörtest, auch war Dir Dein Freund Ru
di sehr wichtig, weswegen Du seine Loge in Berlin oft besuchtest, in der Du auch Mitglied warst. Irgendwann erkanntest Du, dass die Reisen für Dich zu mühsam wurden. Wie immer wurde dies klar benannt und wann immer es mir zeitlich möglich war, reisten wir dann eben gemeinsam. So fuhren wir zusammen zu einer Weihnachtsfeier in besagte berliner 3 WK Loge. 2022 wurdest Du um einen Vortrag in der Loge in Vegesack gebeten, da fragtest Du dann, ob ich da mit Dir hinfahre.
In öffentliche Veranstaltungen unserer Loge Labyrinth bezogen wir Dich immer gerne ein, die Abholung wurde dann organisiert. Wechselnde Schwestern, boten sich an, Dich gerne abzuholen. Du warst immer ein gerngesehener Gast.
Zuletzt bautest Du gesundheitlich mehr und mehr ab, dies lag zum einen an Deiner finanziellen Situation und zum anderen an Deinem Unvermögen und Deiner Unlust zum Thema Kochen.
Unsere lieben Brüder der Loge North Sea Armed Forces waren für Dich immer eine gute Unterstützung. Gemeinsam versuchten wir bessere Lösungen für die aus meiner Sicht angespannte Ernährungssituation zu finden, die sporadischen Essenslieferungen reichten einfach nicht. Dies ging natürlich nur insoweit, wie Du auch bereit warst, mitzumachen. Leider wurden die Vorschläge von Dir kategorisch abgelehnt, obwohl wir alle bereit waren, regelmäßige Essenslieferungen finanziell zu unterstützen. Du wolltest es einfach nicht, wer Dich kennt weiß, da kann man nichts machen.
Die Philipp Crusius Stiftung
Du sorgtest Dich sehr um Deine Sammlung, die Du über viele Jahre, man kann sagen, Dein ganzes Freimaurerleben, liebevoll zusammengetragen hast. Das eine oder andere Stück verschwand, wenn Du mal nicht im Hause warst. Darüber warst Du sehr traurig.
Du fragtest mich vor längerer Zeit, ob ich bereit wäre, mit Dir eine Stiftung zu gründen und alles zu katalogisieren. Der Gedanke war für Dich unerträglich, dass nach Deinem Tode diese schöne Sammlung auseinandergerissen werden und in Einzelteilen verschachert würde oder schlimmer noch, ein Bruder reißt sich alles unter den Nagel und es landet in Privatbesitz und ist der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Dafür hattest Du nicht alles zusammengetragen, Deine Idee war eine andere.
Ich empfand diese Anfrage als riesigen Vertrauensbeweis und war gerne dabei. Also katalogisierten und planten wir, welche Aktivitäten die Stiftung machen könnte. Es sollte ein Museum in meinem Haus in Bremen gegründet werden, gleichzeitig der Stiftungssitz. Geplant waren regelmäßige Veranstaltungen, auch wolltest Du die Möglichkeit bieten, dort freimaurererisch arbeiten zu können. Dies letzte war wohl eher Deinem Missfallen und Fremdschämen gewidmet, Du schämtest Dich für die Brüder, die uns als Frauenloge so viele Steine in den Weg legen. Auch wollten wir Kurzsequenzen filmen, in denen Du Dein umfangreiches Wissen für die Nachwelt konservierst. Nicht zuletzt sollte die Stiftung ein paar Beträge abwerfen, so dass Du daraus ein laufendes Einkommen hättest haben können.
Kraftsport
Wenige wussten, dass Du eine solche Sportskanone warst. Nach Deinem Tode begab ich mich auf die Suche nach Photos und Informationen aus dieser Zeit. Und wie es der GBaW immer so macht, vielleicht hast auch Du selber Deine Hände im Spiel, ich lernte jedenfalls Ingo kennen. Ingo ist ein Freund aus Deinen Tagen des Kraftsportes, der Dir bis zuletzt erhalten geblieben ist. Ingo betreibt die Seite bremer Kraft- und Kampfsportlegenden. Er hat mich mit Photos und Geschichten versorgt. Auch gehört er zu den treuen Seelen, die Dir bis zuletzt freundschaftlich verbunden waren.
Alles kann man nicht benennen, aber Du warst Weltmeister und auch mehrfacher deutscher Meister im Bankdrücken, wo Du sogar einige nationale Rekorde aufgestellt hast. Außerdem warst Du über viele Jahre der Verbandsarzt des WPC Germany (WPC = World Powerlifting Congress) Deinen allerersten Bankdrück Wettkampf hast Du mit ca. 54 (1991) Jahren in Bremen Blumenthal bestritten. 1992 wurdest Du Mitglied beim TSV Reinbek und im BVDK (Bundesverband deutscher Kraftdreikämpfer). 2000 wechselst Du dann zum WPC.
Deine Trauerfeier
Nein, das hätte Dir wohl nicht gefallen. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich etwas darüber schreibe. Ich habe mich dafür entschieden. Dieser Text soll auch eine Erinnerung sein, später wenn unsere Erinnerungen langsam verblassen, dann kann man es nochmal lesen.
Die Feier wurde von einer Deiner Logen ausgerichtet, in der Du auch Mitglied warst. Es gab diverse Trauerredner. Dein lieber Neffe hat Deine Geschichten nochmal aufleben lassen, das war ganz wunderbar, denn alle Geschichten waren mir bekannt, aber an einige hatte ich schon gar nicht mehr gedacht. Vielen Dank dafür.
Dann ging es leider bergab, es wurde vergessen, dass es nicht eine Feier der Loge war, sondern Deine Feier, die Feier Deines Lebens. Einer der weiteren Redner sprach davon, dass Deine Geschichten genervt haben und dass Du wohl immer noch, auch aus dem Himmel, Fehler kritisieren würdest. Ich weiß zwar genau, was er meint, aber das war unpassend. Vielleicht hat er es auch einfach nur sehr schlecht formuliert, ich möchte gerne davon ausgehen, dass es so nicht gemeint war.
Ein kurzer Exkurs: Es war ja so, Du hattest neue Forschungsergebnisse und stelltest dann komplizierte Fragen. Die Fragen waren aber nie darauf ausgerichtet, ein Besserwisser zu sein, Du warst einfach nur so wahnsinnig stolz auf die gefundenen Informationen. Und Du warst oftmals enttäuscht, wenn andere den Wert nicht sofort verstanden. Es war mehr kindliche Freude als Besserwissen. Auch dieser Verweis auf das Kritisieren, ja, Du wusstest viel und mitunter warst Du auch etwas klein-klein, wenn es um Rituale und deren Bedeutung ging. Das ist so! Die Frage ist aber immer, ob man sich diesen Schuh anzieht, oder nicht. Ich freue mich, ich habe durch dieses Insistieren und nicht locker lassen soviel gelernt. Wo hätte ich dieses Wissen sonst herbekommen können? Es gibt eben nicht viele mit einem solchen umfangreichen Wissen, ich hätte mir darum etwas mehr Respekt gewünscht. Exkurs Ende.
Die Loge, der Dein Herz gehörte und das ist ganz klar die North Sea Armed Forces, eine Loge der ACGL, wurde leider nur kurz erwähnt. Ich habe mich gewundert, warum keiner der Brüder dieser Loge eine Trauerrede hielt, es wäre doch angemessen gewesen. Dort warst Du glücklich, dort war Deine Logenheimat. Diese Brüder haben Dich immer unterstützt und kümmerten sich bis zuletzt.
Nun ja, und dann wurde die Kette gebildet, explizit mit der Ansage, dass nur Brüder sie bilden. Ich hatte Deinen sarkastischen Kommentar sofort im Ohr. Also auch dort Ausgrenzung pur, Du hättest alle in der Kette gewollt, die mit Dir auch tatsächlich verbunden waren. So standen auch viele in der Kette, mit denen Du Dich nun gar nicht verbunden fühltest. Die veranstaltende Loge feiert ihre Feier, es ging leider nicht um Dich. Insgesamt hätte ich mir für Dich Wertschätzung, Liebe und die Feier eines besonderen Menschen mit einem ausgefüllten Leben gewünscht. Auch hätte ich mir gewünscht, dass neben Deinem lieben Neffen Menschen sprechen, die Du gemocht und geschätzt hast. So war es ein Schaulaufen der Eitelkeiten, schade.
Paris haben wir nun nicht mehr geschafft. Das verschieben wir auf unser nächstes Treffen in einem künftigen Leben. Du wolltest Dich noch scheiden lassen, weil Du so sehr enttäuscht warst, nicht weil Du Dich neu binden wolltest. Es wurde bereits vor einigen Jahren in die Wege geleitet, auch dazu ist es nicht mehr gekommen.
Ich möchte mich bei Dir bedanken, für die tolle Zeit mit Dir. Für Deine Hilfe bei der Gründung des Labyrinthes, für Dein freundschaftliches Ohr und nicht zuletzt für Deine wertvolle Freundschaft und Dein großes Vertrauen in mich.
Wir, die Dich lieben und schätzen, entlassen Dich jetzt, aber nur sehr ungerne aus der Kette der Hände. Zu früh kann man nun nicht sagen, Du hattest bis auf die letzten Jahre ein schönes und auf jeden Fall langes Leben. Die letzten Jahre hättest Du auch Besseres verdient gehabt. Wir hätten gerne noch mehr von Deinen Forschungen gehört, Deine Beratung wird fehlen, ebenso wie Deine Geschichten und die unverhofft sarkastischen Bemerkungen.
Mach es gut Bimbo, wir halten die Stellung!
Die Sportbilder wurden uns zur Verfügung gestellt von: Ingo Czeplinski * bremer Kraft- und Kampfsportlegenden / Vielen Dank Ingo für Bilder, Geschichen und einen guten Kontakt
(c) copyright aller anderen Bilder Britta Wellmann