Allegorien und Symbole am bremer Rathaus
Zusammenfassung des Gästeabends
Oft geht man am Bremer Rathaus vorbei, nimmt den prächtigen Bau wahr, weiß, dass es zum Weltkulturerbe gehört und wichtige Persönlichkeiten es bis auf den Balkon schaffen. Und damit war es das auch oft schon. Die Rathausfassade jedoch, hat es in sich. Da viele Menschen im 17. Jahrhundert nicht lesen und schreiben konnten, wurde viel mit Bildern und einer leicht zu verstehenden Symbolik gearbeitet. Unsere Schwester hat sich damit näher befasst und uns sechs Figuren und deren Symbolik nähergebracht. Ihr Wissen bezog sie aus den Büchern von Rolf Gramatzki und Stephan Albrecht.
Es galt zu jener Zeit als äußerst modern, dass nach der Reformation die gotische Fassade ab 1608 von Lüder von Bentheim im Renaissance-Stil versehen wurde. Kaiser, Kurfürsten und Fabelwesen schmücken unter anderem die Südseite der Fassade. Die neu gestaltete Fassade zeigt viele Tugenden von Bremen auf, die auf die Reichsfreiheit hinweisen. Es gibt elf Arkaden auf zwölf Säulen, die in den Zwickeln christlich geprägte Relieffiguren aus Sandstein aufweisen.
Im ersten Torbogen wird die „nackte Wahrheit“ gezeigt: eine barbusige Dame. Im zweiten Torbogen wird die Gluckhenne gezeigt, die auf die alte Bremer Sage der Gründung der Stadt Bremen zurückzuführen ist, die unter ihren Flügeln ihre Küken beschützt. Der Hahn auf der gegenüber liegenden Seite symbolisiert die Wachsamkeit.
Eine weitere Symbolfigur stellt eine Figur mit einem Spaten dar und symbolisiert die Arbeit, die allerdings ein Ende hat – symbolisiert durch eine Waag Uhr, zu sehen im dritten Arkadenbogen, die den Fleiß und die Kunstfertigkeit der Hansestadt repräsentiert.
Bei zwei Figuren konnten wir eine direkte Verbindung zur Hansestadt herstellen: Die Figur der Freigiebigkeit stellt eine Frau dar, die mit einer Hand das Geld wegzuschmeißen scheint, mit der anderen Hand hält sie den Geldsack zu: Freigiebigkeit mit Maß. Dies wurde von uns so interpretiert, dass es eine Verbindung zu den kaufmännischen und wirtschaftlichen Beziehungen der Hansestadt knüpft.
Im zehnten Torbogen ist eine interessante Figur die Dame der Klugheit, die in der einen Hand einen Spiegel, in der anderen eine Schlange hält – ein Tier das zu der damaligen Zeit symbolisch für die Weisheit stand. Der Spiegel war nicht als Eitelkeit, sondern als Symbol der Selbsterkenntnis zu verstehen.
Die damaligen Handwerker hatten in der Zeit um 1608 mehr Mobilität als zuvor und konnten sich austauschen. Gegenseitige Inspiration schaffte eine symbolträchtige Fassade, die bei unserem Gästeausflug im Sommer noch einmal näher betrachtet werden soll.
Fraglich ist, in wieweit sich die Werte der dargestellten Tugenden in all den Jahren in ihrer Bedeutung verändert haben oder deren Bedeutung sich verschoben hat.
In Bremen hat das Festhalten an Traditionen eine große Bedeutung (Eiswette, Schaffermahl, Kohl&Pinkel, Kuturevents wie La Strada und Breminale), obgleich Bremen als rebellisch und keck charakterisiert wird. Die Rebellion spiegelt sich in der Rathausfassade wider – zu Beispiel bei dem Pabst, dem ein Kreuz im Gesäß steckt. Trotz dessen wird gleichzeitig an die moralischen Tugenden appelliert. Das ist Bremen – tugendhaft rebellisch.