Zusammenfassung des Gästeabends
Ein lebendiger Abend mit bekannten Gästen und Schwestern zum freimaurerischen Thema: der raue Stein – die Arbeit an mir selbst. Der Abend startete mit einem „Steinkreis“, in dem jede einen Stein mit geschlossenen Augen betastete, um Form, Vertiefungen, Größe und Gewicht für sich zu erfühlen. Der Stein wurde weitergereicht – so lange, bis man „seinen Anfangsstein“ wiedergefunden hatte. Mit immer noch geschlossenen Augen sollte man für sich überlegen, wo dieser Stein vielleicht gefunden wurde, Vermutungen über die Farbe konnten für sich gestellt werden. Beim Öffnen der Augen stellte sich für einige heraus, dass der spröde Stein glitzerte oder eine andere Farbe hatte, als zuvor angenommen.
Der Stein steht hier symbolisch für jeden Menschen: jeder Stein, jeder Mensch ist anders beschaffen und hat individuelle Eigenschaften, die man nicht immer mit „verschlossenen Augen“ betrachten sollte, denn in dem richtigen Licht und bei näherer Betrachtung offenbaren sich unterschiedliche Facetten.
Spitzen und Kanten wurden von uns als interessant genannt – auch als Charaktereigenschaften, denn glatt wurde von uns mit langweilig gleichgesetzt. Zu viele Kanten können schneiden oder verletzen, sind vielleicht unangenehm, wenn auch der Stein glitzert. Ein spitzer Stein kann aber auch nützlich sein – zum Beispiel als Werkzeug dienen.
So geht es uns auch manchmal mit unseren Mitmenschen: manchmal wird eine „spitze Kante / Bemerkung“ als unangenehm, manchmal auch als „frischer Impuls“ gesehen.
Ecken sollten nicht „abgeschlagen“ werden – dadurch entstehen schärfere Kanten, vielleicht eher die guten Eigenschaften eines Menschen „poliert“, also die guten Charaktereigenschaften herausgestellt werden.
Das Wort „sincere“ bedeutet soviel wie „aufrichtig, ohne Makel, vollkommen“. Die Statuen und Säulen, die im alten Rom gebaut wurden und ohne Zement oder Wachs, zur Vertuschung von bildhauerischen faux pas auskamen, waren „sincere“ – vollkommen.
Doch Narben, Scheitern und getroffene Entscheidungen gehören zum Leben eines Menschen dazu. Ein Gleichnis kann ein Brauch in Japan sein, indem man zerbrochenes Feinsteinzeug mit Gold kittet, um dem Riss Würde und Glanz zu verleihen.
Auf uns selbst bezogen heißt dies, dass wir nicht nur aus Fehlern lernen können, indem wir uns fragen, wie man in einer ähnlichen Situation zukünftig anders reagieren könnte.
Die eigenen charakteristischen Facetten als Team zu begreifen und zu harmonisieren klingt zunächst nach einer großen Aufgabe. Es gilt vielmehr sich teils von den gesellschaftlichen Erwartungen zu lösen, sich selbst und seine „Fehler“ anzunehmen, zu akzeptieren, oder auch zu reflektieren und zu ändern, wenn sie einen selbst immens stören.
Durch selbstgewählte Zugehörigkeiten (Verein, Beruf, usw.) als auch durch nicht selbstgewählte (familiärer, sozialökonomischer Status, Altersgruppe, usw.) beginnt die Selbstfindung des „wer bin ich“? Solange man niemanden schadet, kann man seine Ziele verfolgen.
Die gesellschaftliche Beobachtung baut einen gewissen Druck auf das Individuum aus. Dies kann Neid und Missgunst erzeugen, welches durch die Betrachtung auf sich selbst entgegengewirkt werden kann: „was kann ich, worin bin ich gut, was sind meine Stärken, wie kann ich diese nutzen, in welchen Situationen war ich glücklich? Ist dieses Glück materiell, oder sind es schöne Momente mit Freunden, in der Natur, mit der Familie usw?“
Wofür sind wir dankbar? Bewusstmachung schönes Geschehens.
Oft sind wir mit uns zu selbstkritisch. Eigenlob stinkt nicht, solange man es nicht laut ausspricht.
Was tun wir für uns? Statt neue Vorsätze zu schmieden, sich bewusstmachen, das jeden Tag ein Morgen gibt, an dem man etwas für seine Gesundheit und seine geistige Entwicklung tun kann, Aufgaben auch mal abgeben und Dinge loslassen sollte.
Das war unsere Ankündigung
Der raue Stein – die Arbeit an sich selbst
Ein neues Jahr beginnt, neue Vorsätze sind da – vielleicht sind die neuen Vorsätze auch alte Bekannte aus den vorherigen Jahren, die man jeweils nur am Jahresanfang begrüßt und kurz danach wieder verabschiedet. Die Absichten sind stets wahrhaftig: mehr Sport will man treiben, mit dem Rauchen aufhören, gesünder Essen, weniger Alkohol trinken, vielleicht sich mehr Zeit für Freunde und Familie nehmen, oder, oder, oder… die Liste scheint unendlich. Oft scheitern die guten Vorsätze bereits nach einiger Zeit am inneren Schweinehund, der eigenen Bequemlichkeit, dem vielleicht vorgeschobenen Zeitmangel. Hier kommt aus freimaurerischer Sicht der raue Stein ins Spiel.
Was stärkt uns, eine Sache durchzuziehen und sie konsequent einzuhalten?
Was sind persönliche Laster, Marotten oder Gewohnheiten, die uns stören?
Gilt die freimaurerische Toleranz nur anderen gegenüber, oder können wir uns gegenüber auch tolerant sein und gewisse Charaktereigenschaften akzeptieren?
Was fordert die Gesellschaft von uns und was fordern wir von uns?
Die Freimaurerinnen arbeiten am rauen Stein, der raue Stein, die Arbeit an sich selbst. Ein Stein hat raue Kanten und wird bearbeitet, bis sich die Oberfläche immer mehr glättet. Symbolisch steht der Stein für den individuellen Charakter eines Menschen. Hierbei geht es nicht darum einen Perfektionismus anzustreben, sondern sich selbst zu reflektieren und das Handeln kritisch zu überdenken und daraus für sein zukünftiges Handeln zu lernen.
Kein Stein gleicht dem anderen, sowie auch keine Person der anderen gleicht. Vielfalt statt Monotonie schafft Abwechslung und Spannung. Dessen sind wir uns bewusst. Nur unter Druck entstehen Diamanten, und dennoch: Wie sehr muss ich meinen persönlichen Stein bearbeiten, ohne, dass er zerbricht, oder eine Form annimmt, die nicht vorgesehen war?
Was ist mein Selbstbild und was darf sich ändern, was darf bleiben? Geht an mir etwas verloren, wenn ich ein Laster ablege, oder geht es sich ohne Last buchstäblich leichter durchs Leben?
Viele Fragen, und sicherlich kommen noch einige während des Gespräches mit unseren Gästen dazu. Antworten oder Erkenntnisse wird es sicherlich viele geben – auch wenn diese vermutlich genauso individuell sein werden wie jede einzelne.
Wir freuen uns auf einen interessanten Gästeabend!
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Labyrinth * Freimaurerinnen in Bremen